Besteuerung privater Firmenwagennutzung, wenn weiteres Fahrzeug vorhanden

Das Niedersächsische Finanzgericht hat zur Frage geurteilt, ob beim Firmenwagen eines Kommanditisten eine Privatnutzung zu besteuern ist, wenn ein weiteres Fahrzeug für Privatfahrten zur Verfügung steht.

Das Niedersächsische Finanzgericht hat sich im Urteil vom 19. Februar 2020 (Az.: 9 K 104/19) mit der Widerlegung des Anscheinsbeweises für die private Nutzung eines betrieblichen Pkw durch den einzigen Kommanditisten einer GmbH & Co. KG befasst. Das Gericht hat sich insbesondere mit der Frage auseinandergesetzt, welche Anforderungen an die Vergleichbarkeit in puncto Status und Gebrauchswert zu stellen sind.

Hintergrund

Nach allgemeiner Lebenserfahrung werden betriebliche Fahrzeuge, die auch zur Nutzung für private Zwecke zur Verfügung stehen, tatsächlich auch privat genutzt (sog. Beweis des ersten Anscheins). Nach gegenwärtiger Finanzgerichtsrechtsprechung kommt jedoch eine Erschütterung dieses Anscheinsbeweises dann in Betracht, wenn für Privatfahrten ein weiteres Fahrzeug zur uneingeschränkten Nutzung zur Verfügung steht. Voraussetzung für eine solche Entkräftung ist jedoch, dass dieses Privatfahrzeug in Status und Gebrauchswert vergleichbar ist.

Als erstes Finanzgericht geht das Niedersächsische Finanzgericht intensiver darauf ein, welche Anforderungen an die Vergleichbarkeit bei Status und Gebrauchswert zu erfüllen sind.

Sachverhalt

Der alleinige Kommanditist der Klägerin, einer GmbH & Co. KG, nutzte einen im Betriebsvermögen befindlichen, im Jahr vor dem Streitjahr neu angeschafften Pkw (Fiat Doblo Easy 2.0 16V Multijet; Kastenwagen) für betriebliche Zwecke, insbesondere für tägliche Fahrten zu den Betriebsstätten. Ein Fahrtenbuch wurde nicht geführt. Im Rahmen einer Außenprüfung rügte der Prüfer den fehlenden Ansatz eines Privatanteils nach der 1%-Regelung. Das Vorhandensein eines Mercedes Benz C 280 T (Baujahr 1997) im Privatvermögen des Kommanditisten erschüttere den für die Privatnutzung sprechenden Anscheinsbeweis nicht, da dieses Fahrzeug weder in Bezug auf den Gebrauchswert (kein variables Sitzkonzept, geringeres Kofferraumvolumen, veraltete Technik aufgrund des Alters, höhere Laufleistung, geringerer Sicherheitsstandard, größere Reparaturanfälligkeit) noch im Hinblick auf den Status vergleichbar sei. Der gegen den entsprechend geänderten Feststellungsbescheid gerichtete Einspruch hatte keinen Erfolg.

Urteil

Das Gericht gab der Klage jedoch statt. Nach seiner Auffassung ist unter dem Begriff „Gebrauchswert“ der Wert einer Sache hinsichtlich ihrer Brauchbarkeit und ihrer Eignung für bestimmte Funktionen und Zwecke (Nutzwert) zu verstehen. In diesem Zusammenhang könnten Umstände wie Motorleistung, Hubraum, Höchstgeschwindigkeit und Ausstattung Berücksichtigung finden. Unter dem Aspekt des „Status“ eines Fahrzeugs seien dagegen vornehmlich Prestigegesichtspunkte zu berücksichtigen. Nach diesen Maßstäben kam das Gericht zu der Überzeugung, dass der im Privatvermögen befindliche Mercedes Benz C 280 T trotz des Alters, der weitaus höheren Laufleistung und des (veralteten) technischen Zustandes mit dem betrieblichen Fiat Doblo Easy 2.0 16V Multijet in Status und Gebrauchswert mindestens vergleichbar ist. Mangels feststellbarer Privatnutzung war für die steuerliche Erfassung eines Privatanteils danach kein Raum.

Hinweis

Die Problematik des Streitfalls ist über den Einzelfall hinaus von großer praktischer Bedeutung. Das beklagte Finanzamt hatte das Finanzgericht in der mündlichen Verhandlung um eine ausführliche Auseinandersetzung mit den Kriterien „Gebrauchswert“ und „Status“ im Urteil gebeten, da insoweit in der Praxis der Betriebsprüfungen eine große Unsicherheit hinsichtlich der Umsetzung der Vorgaben der Rechtsprechung zur Erschütterung des Anscheinsbeweises bestünde (Niedersächsisches Finanzgericht Pressemitteilung 7. Mai 2020).

Quelle: Rundschreiben der Bundesvereinigung Bauwirtschaft