Die Zukunft im Wandel der Werte: ZVR-Präsident Harald Gerjets mit einem Statement nach der Bundestagswahl

Nach einigen Monaten des Wahlkampfes ist die deutsche Regierung nach der Bundestagswahl 2017 nun für die kommenden vier Jahre gewählt. In den vergangenen Monaten wurde viel diskutiert und auch die Tage nach der Wahl regen nun zum Nachdenken an: Was können wir von der Politik erwarten, was sollten wir fordern und wo braucht es noch Unterstützung? ZVR-Präsident Harald Gerjets äußert sich hierzu in einem Statement in Bezug auf das Handwerk:

„Im Raumausstatter- und Sattlerhandwerk haben wir drei Hauptkriterien, die die Politik nicht vernachlässigen sollte. Da ist einerseits die Entbürokratisierung. Wir wünschen und fordern eine deutliche Entlastung in Sachen Bürokratie, beispielsweise das neue Bürokratiemonster „Dokumentation gem. Gewerbeabfallverordnung“. Derzeit haben wir im Handwerk aufgrund von zahlreichen Vorschriften viel Verantwortung gegenüber unseren Mitarbeitern. Alles muss dokumentiert werden. Das macht ein effektives Arbeiten fast unmöglich. Doch viel schlimmer: Es schreckt auch ab. Junge Leute übernehmen seltener Betriebe und bleiben lieber in einem Beschäftigungsverhältnis, anstatt sich selbstständig zu machen.

Ein zweiter wichtiger Punkt ist die Wiedereinführung der Meisterpflicht für Handwerksberufe. Die Politik ist auf dieses Thema durch energische Rückfragen u.a. auch durch den ZVR bereits aufmerksam geworden. Mit einem Gutachten des deutschen Bundestags wollte die Mittelstandsvereinigung von CDU und CSU (MIT) einen schärferen Schutz des Handwerks begründen. Demnach wäre die Wiedereinführung der Meisterpflicht für Handwerksberufe europarechtlich zulässig.

Der ZVR erwartet von der Politik, dass sie auch nach der Wahl noch daran festhält. Wichtig ist jedoch auch, dass sich alle Kolleginnen und Kollegen dafür einsetzen. Einige Politiker denken, wir hätten uns in unserer neuen Situation bereits eingerichtet. Doch das stimmt nicht. Wir leben von der Substanz. Wenn es keine Rückführung in Anlage A der HWO gibt, wird es den Beruf in absehbarer Zukunft nicht mehr geben. Es gilt daher, auch stets mit Politikern vor Ort zu sprechen und die Forderung der Wiedereinführung der Meisterpflicht zu stellen.

Ein dritter Aspekt, den wir uns für das Handwerk wünschen, ist eine allgemeine Unterstützung. Das beginnt damit, dass das Handwerk von der Politik attraktiver dargestellt werden sollte, damit es ein Stück weit nach oben aufgewertet wird. Zudem brauchen wir Unterstützung im Umgang mit der Generation Z. Die jungen Menschen, die zukünftig den Arbeitsmarkt betreten, haben deutlich andere Werte und Erwartungen als ihre Vorgänger. Flexible Arbeitszeiten und die Freizeit stehen im Fokus. Das ist in unserem Handwerk, in dem Loyalität und ein enges Vertrauensverhältnis zu den Mitarbeitern besteht, neu und der Umgang ist nicht immer leicht. Damit stehen wir vor neuen Herausforderungen – die gilt es, zu meistern. Man muss die Kollegen darauf vorbereiten, dass dieses Verhalten nicht ungewöhnlich, sondern vielmehr die Zukunft ist. Das sollte man auch bei Verbandstagen berücksichtigen, indem auch Fachleute eingeladen werden, die erläutern, wie man mit der Generation Z umgeht.

Außerdem würde es das Raumausstatter- und Sattlerhandwerk und damit alle Mitglieder des ZVR entlasten, wenn Auszubildende genau wie Schüler der Oberstufen Unterstützung, z. B. bei der Beförderung mit öffentlichen Verkehrsmitteln, erhalten. Es wird zunehmend schwerer, geeignete Mitarbeiter und Auszubildende zu finden, da die Entfernungen zum Arbeitsplatz oder zu den Berufsschulen häufig sehr weit ausfallen. Es gibt nicht nur Abiturienten in Deutschland und es können oder wollen aus den verschiedensten Gründen nicht alle studieren. Auch im Handwerk brauchen wir Nachwuchs, diese Wirtschaftsmacht wird von vielen vernachlässigt.

Wir fordern hier von der Politik mehr Unterstützung, damit Auszubildende und Mitarbeiter in Zukunft finanziell entlastet werden. Das ist zwar teilweise Länder- und Landkreisaufgabe, Vorgaben vom Bund können jedoch durchaus hilfreich sein. Genauso wie die Studiengebühren abgeschafft wurden, sollten auch die Gebühren für die Meisterausbildung entfallen, Niedersachsen hat jetzt als erstes Bundesland diesen Beschluss im Sinne der Ausbildungsgerechtigkeit gefasst.

Natürlich wissen wir, dass die Politik in den vergangenen Jahren auch schon einiges bewegt hat. Doch es gibt noch viel zu tun, Stillstand ist Rückschritt. Es bleibt zu hoffen, dass auch die neue Regierung das Handwerk nach der Wahl nicht vergisst und sich für unseren Beruf einsetzt.“

 

Köln, im September 2017

 

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